Der Beitrag leuchtet das freiwillige, kollektive, marxistisch inspirierte wissenschaftliche Forschen als Aktionsform gegen den Vietnamkrieg aus. Dabei stützt sich der Beitrag auf die Kampagnen der Aktivist:innen von Science for Vietnam (SfV), die von 1971 bis 1975 von regierungskritischen und -ablehnenden Forschenden ergriffen wurden. SfV war geleitet von der Idee der direkten und undiplomatischen Hilfe im Widerstand gegen den Gebrauch kaum erforschter Waffen und um Mittel gegen die Vorbereitung von Krankheiten in den Kriegsgebieten zu finden. Die Aktivist:innen von SfV schickten bspw. Bücher und Laborausrüstungen nach Hanoi, führten aber auch Forschungen über medizinische Behandlungen oder Wiederaufforstung durch, um ihr Wissen mit den „Genoss:innen“ in Nordvietnam zu teilen. Ausgehend von Nordamerika bildeten sich SfV Kollektive auch in Westeuropa.
Im Gegensatz zur radikale Bewegung Science for the People, mit der SfV verbunden war, ist über letztere bisher wenig bekannt. In der historischen Forschung vernachlässigt ist zudem die Beteilung europäischer Aktivist:innen. Sowohl die Charakteristiken von SfV als auch die europäischen Netzwerke sind eine eigene Analyse wert, insbesondere weil durch Europa US-Exportrestriktionen umgangen und Kontakte nach Nordvietnam gehalten wurden.
Da sich SfV informell organisierte, stützt sich der Beitrag auf Newsletter, die digitalisiert wurden, insbesondere auf den Quellenbestand aus dem Privatarchiv von Bruno Vitale, italienischer Physiker und Aktivist. Die Referentin hat Vitale’s Quellen im Rahmen einer Projekts zur Geschichte radikaler Wissenschaftler:innen digitalisiert, sowie (zusammen mit einem Kollegen) ein Interview geführt. Diese Quellen werden nun erschlossen. Auf diesem Projekt basierend soll der Beitrag deshalb auch einladen, über die Herausforderungen der Digitalisierung von Privatarchiven nachzudenken und inwiefern das Fehlen öffentlicher Quellenbestände das historische Wissen über radikalen Aktivismus prägt.