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Jan Surman

Wissenschaft „außerhalb der Politik“: Russische Debatten vor und während des Krieges

Um 2020 wurde die Freiheit der Wissenschaft in Russland erneut diskutiert – um nach Beginn des Krieges vollständig neu verhandelt zu werden. Nicht nur war die Regierung entschlossen, die Wissenschaftler*innen zunehmend zu kontrollieren – einschließlich internationaler akademischer Kontakte – vielmehr liefen entsprechende Debatten auch unter WissenschaftlerInnen selbst. Eine der wichtigsten war die Kontroverse um die „Wissenschaft außerhalb der Politik“ (nauka vne politiki) und das politische Engagement der Forscher*innen. Die regierungstreuen Institutionen und deren Vertreter*innen meinten hier, dass sich Wissenschaftler*innen nicht für die Opposition engagieren sollten – aber auch die nicht-regierungstreue Seite war gespalten, ob Aktivismus und politisches Engagement die Objektivität wissenschaftlicher Forschung nicht gefährdet. Meine Intervention wird diese Debatte unter zwei Aspekten beleuchten. Erstens werde ich sie in eine (post-)sowjetische Geschichte der Objektivität einschreiben; zweitens werde ich zeigen, dass die Frage der subjektiven Erfahrung – und zwar einer ungewollten bzw. überflüssigen Erfahrung, die die objektive Beurteilung gesellschaftlicher Prozesse hindert – hier eine wichtige Rolle spielte. Somit war (und ist) diese Debatte nicht nur eine politische, sondern auch eine epistemologische.