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Johanna Hügel

Die tiefere Wahrheit der geteilten Erfahrung. Aneignungen postkolonialer Theorien durch die russische Neue Rechte um Alexander Dugin und ihre Netzwerke nach Westafrika

Seit spätestens 2014 lässt sich beobachten, dass sich das russische Regime auf internationaler Bühne als „antikoloniale Schutzmacht“ und Garant „historischer Wahrheit“ inszeniert – ja es lässt sich gar argumentieren, dass sich Russland selbst als Teil und Stimme eines marginalisierten und kolonisierten globalen Südens darstellt. Dabei machen russische Regierungsvertreter keinen Hehl daraus, dass es ihnen um eine neue und multipolare globale Ordnung geht, wobei Antirassismus oder eine an Menschenrechten orientierte Migrationspolitik keine Rolle spielen.

Mit Blick auf die Publikationen Alexander Dugins, dem wahrscheinlich prominentesten Vertreter der Neuen Rechten Russlands, lässt sich feststellen, dass bei diesem neuen Framing russischer Politiken und Positionierungen gezielt auf Begriffe, Konzepte und Argumentationslinien postkolonialer Theorien zurückgegriffen wird. Diese dient in den Aneignungen durch Dugin einer zutiefst rassistischen, ethnopluralistischen Agenda – wird jedoch nichtsdestotrotz auch von Akteuren aus Westafrika aufgegriffen. Dabei versuchen Dugin und seine Anhängerschaft, eine geteilte Erfahrung der Unterdrückung durch den Westen zu kreieren, die sie mit verschiede-nen Akteuren und Regionen aus dem globalen Süden verbindet. Der Beitrag fragt danach, wie diese angeblich geteilte Erfahrung in spezifischen lokalen Kontexten und Settings plausibilisiert wird, wobei methodisch auf praxeologische Ansätze zurückgegriffen wird.