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Bettina Sophia Wagner

Die universelle Schwangerschaft? Blinde Flecken im Frauengesundheitsaktivismus ab den 1970er Jahren

Ab den 1970er Jahren formierte sich in der BRD aktivistischer Widerstand gegen den medizinischen Zugriff auf Frauenkörper im Kontext von Schwangerschaft und Geburt. Der Vortrag möchte nachzeichnen, wie auch in diesen Initiativen Hierarchien produziert wurden und welche blinden Flecken im Hinblick auf die Erfahrungen von Schwangeren existierten. Mit der Frauengesundheitsbewegung und Elterninitiativen traten Akteursgruppen auf den Plan, die medizinischer Intervention kritisch gegenüberstanden. Diese Akteur:innen betonten die Bedeutung von körperlicher Autonomie und subjektiven Empfindungen. Sie schufen alternative Angebote für Selbsthilfe sowie Institutionen wie das 1974 in Berlin entstandene Feministische Frauengesundheitszentrum (FFGZ). Weitere Initiativen führten zu Geburtsvorbereitungskursen (z.B. die 1980 entstandene Gesellschaft für Geburtsvorbereitung) und Geburtshäusern. Diese Angebote folgten der Logik der individuellen Entscheidungsfreiheit im Bereich der Gesundheitsvorsorge und beeinflussten auch das konventionelle Gesundheitsangebot durch ihre Konkurrenz.

Der Vortrag möchte den Kreis der in der historischen Forschung vorrangig betrachteten Akteur*innen erweitern, um bisherige Erzählungen der deutschen Frauenbewegung zu dezentrieren, insbesondere die Annahme, dass die scheinbar universelle körperliche Erfahrung von Schwangerschaft und Geburt eine Grundlage der feministischen Solidarität sei. Stattdessen möchte ich die unterschiedlichen und ungleichen Erfahrungen – bedingt durch unterschiedliche Konflikte um körperliche Autonomie – untersuchen. Der intersektionale Reproductive-Justice-Ansatz hilft, die auch in den frauenbewegten Kontexten präsenten Hierarchien, Ausschlüsse und blinken Flecken im Hinblick auf Diskriminierung und Rassismus zu fassen. Dazu werden migrantische Selbstorganisation, auch im Kontext der Frauenbewegung, und insbesondere migrantische Gesundheitsinitiativen in den Blick genommen.