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Martina Schlünder

„Erst die Kuh, dann du!“ Zur Geschichte des feministischen Widerstands und Aktivismus gegen Reproduktionstechnologien in der Bundesrepublik der 1980er Jahren

Der Slogan „Erst die Kuh, dann du!“ kursierte unter feministischen Aktivistinnen seit dem ersten Kongress der „Frauen gegen Gentechnik und Reproduktionstechnik“ im April 1985 in Bonn. Als Zuspitzung kommentierte und verbreitete der Slogan die prägnanten Thesen der US-amerikanischen Feministin Gena Corea. In ihrem Buch „The Mother Machine“, das sie einem deutschsprachigen Publikum auf dem Bonner Kongress erstmals vorstellte, analysierte Corea aus radikalfeministischer Perspektive die Anwendung und Auswirkung neuer Reproduktionspraktiken und -technologien wie In-Vitro-Fertilisation, Embryotransfer und Leihmutterschaft in Tierzucht und Humanmedizin. Basierend auf der Auswertung von Fragebögen, Interviews und Besuchen in Kliniken und Ställen, prognostizierte Corea Frauen weltweit eine düstere Zukunft, dem Schicksal weiblicher Nutztiere nicht unähnlich: als „industrialisierte“ oder „domestizierte“ Frauen würden sie ihre Fruchtbarkeit nicht selbst kontrollieren, sondern einer globalen Arbeitsteilung unterliegen, die einer kapitalistischen Logik folgen würde. Zusätzlich angetrieben durch eugenische und rassistische Motive würden sich Frauen aus dem reichen Norden auf dem globalen Fertilitätsmarkt die reproduktiven Substanzen der Frauen des globalen Südens kaufen oder diese Frauen als „Leihmütter“ mieten. Die einzige Chance, dies zu verhindern, läge im breiten, globalen, entschlossenen Widerstand aller Frauen gegen diese Technologien.

Der Vortrag untersucht die Geschichte und Bedeutung des Buchs für das entstehende Feld des feministischen Aktivismus gegen Gen- und Reproduktionstechno-logien in Westdeutschland. Was wurde von den Aktivistinnen unter Widerstand verstanden und welche Formen und Praktiken, welche Art von GegenWissen war nötig, um den Widerstand erfolgreich werden zu lassen?