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Julia Gruevska

de homine. Aktivismus und Verantwortung der Lebenswissenschaften im Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten schloss sich eine kleine Gruppe Wissenschaftler*innen zusammen, um eine - im philosophischen Sinne - anthropologisch ausgerichtete biologische Fachzeitschrift mit dem Namen „de homine“ zu gründen. Federführend für dieses Vorhaben war der niederländische Physiologe Frederik Buytendijk, unter ständiger Beratung des Philosophen Helmuth Plessners und des Schweizer Psychologen Ludwig Binswangers. Weitere Mitarbeiter sollten die Neurologen Kurt Goldstein und Adhémar Gelb sowie der Psychologe Kurt Lewin sein. Buytendijk beschrieb die neue Zeitschrift in einem Brief vom 2. September 1933 an Binswanger gleichzeitig martialisch wie aktivistisch als „eine Zeitschrift, die gerade in dieser Zeit gegen die biologischen und oeconomistischen Verzerrungen des Menschenbildes Front macht.“ Buytendijk hatte es sich mit seinem Zeitschrif-tenprojekt einerseits zum Ziel gesetzt, die Gefährdung der Lebenswissenschaften durch „die blöde Haltung der Deutschen“, die Eugenik, abzuwenden und anderer-seits an die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaftlerin und des Wis-senschaftlers zu erinnern und zu appellieren.

Anhand von nachgelassenen und bislang unveröffentlichten Archivmaterialien widmet sich der Vortrag der Rekonstruktion des Vorhabens der Gründung der Zeitschrift, die letztlich an der konkreten Veröffentlichung scheiterte. An "de homine" wird sichtbar, wie sich gesellschaftspolitisch aber auch wissenschaftlich aktiv gegen eine nationalsozialistische Anthropologie engagiert wurde. Dies öffnet den Diskurs nach einem (un)möglichen Aktivismus einer interessengeleiteten Wissenschaft.