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Anja Sattelmacher

"DGS Jetzt"! - Deaf Activism und Wissenschaftsgeschichte um 1985

Als im Jahr 1986 das erste Mal in der Sendung Sehen statt Hören des Bayrischen Rundfunks gehörlose und schwerhörige Menschen sich in deutscher Gebärdensprache unterhielten war dies eine Revolution und zugleich ein Statement. In der Diskussionsrunde mit dem Titel „unser Recht auf DGS“, trafen sich Wissenschaftler der Universität Hamburg und Vertreter von Gehörlosen- und Schwerhörigenverbänden mit Juristen, um die rechtliche Situation hörbehinderter Menschen in Deutschland zu diskutieren. Gehörlose und schwerhörige Menschen erfuhren im Alltag viele Diskriminierungen und waren immer weniger bereit, diese stillschweigend hinzunehmen. Während sich bereits in den 1970er Jahren in Deutschland unter der selbsternannten „Krüppelbewegung“ behinderte Menschen zu einer Bewegung für den Kampf für mehr Rechte zusammengeschlossen hatten, bildete sich ein solches Bewusstsein unter Gehörlosen erst im Verlauf der 1980er Jahre aufgrund der Arbeiten des Hamburger Linguisten Sigmund Prillwitz, der die deutsche Gebärdensprache erstmalig systematisch erfasste und notierte. Schließlich wurde die DGS 2002 als vollwertige Sprache von der dt. Bundesregierung anerkannt.

Dieser Beitrag diskutiert die Entstehung der Gehörlosenbewegung im Kontext der wissenschaftlichen Erforschung und Anerkennung der deutschen Gebärdensprache, die vor allem vom 1987 eröffneten Institut für Deutsche Gebärdensprache an der Universität Hamburg ausging. Ziel des Vortrags ist es, Praktiken der Pädagogik in der Gehörlosenbildung in die Wissenschaftsgeschichtsschreibung zu integrieren und ihr so mehr Anschlussfähigkeit auch an die Geschichtswissenschaft zu bieten. Ergänzend zu bereits untersuchten Bewegungen wie der Friedensbewegung, der Umweltbewegung und der Frauenbewegung versucht dieser Beitrag eine Einordnung der Gehörlosenbewegung in den 1980er Jahren in das Spektrum der neuen sozialen Bewegungen.