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3.3 Panel: Feministische Psychiatrie- und Therapiekritik und Behandlungsalternativen

Das vorliegende Panel richtet den Fokus auf die zum Teil ungleichzeitigen Diversifizierungsprozesse der verschränkten Konstruktionen von Geschlecht und psychischer Gesundheit/Alterität im psychosozialen Feld der Bundesrepublik von den 1970er bis in die 1990 Jahren. Diese waren durch eine zunehmende Psychologisierung, Pädagogisierung und Therapeutisierung geprägt und erstreckten sich auch in den ambulanten Bereich. In diesem Psy-Sektor entstanden im Kontext der Frauenbewegung neue Ansätze, die das vorherrschende Geschlechterverständnis infrage stellten und die patriarchale Lebensrealität von Frauen berücksichtigten. Obwohl sich die von uns untersuchten Protagonistinnen nicht als Aktivistinnen bezeichneten, entwickelten sie seit den 1970er Jahren unterschiedliche aktivistische Praktiken, mit denen sie sowohl die Psychiatrie/Suchthilfe als auch hegemoniale Konzepte von „Verrücktheit“ und „Normalität“ in Frage stellten. Diese Praktiken zeichneten sich weniger durch spektakuläre Konfrontationen, wie der Besetzung psychiatrischer Landesnervenkliniken, aus als durch das Eintreten für Frauenbelange. Ebenso lässt sich die Implementierung alternativer, aber keineswegs von der damaligen Wissenschaft losgelöster Behandlungsmethoden als eine Form aktivistischer Praxis interpretieren. In diesem Panel wollen wir diskutieren, ob die neuen Ansätze zu einer Veränderung des herkömmlichen Frauenbildes und der dualistischen Wahrnehmung von psychischer Gesundheit und Krankheit beitrugen. Beförderten sie einen Wandel der psychosozialen, psychologischen und psychiatrischen Versorgungslandschaft? Inwieweit trugen diese Veränderungen zu einer Erosion von „Normalität“ und „Verrücktheit“ bei?