Ram Brahma Sanyal (1858-1908) war die prägende Figur in den ersten Jahrzehnten des Zoologischen Garten in Calcutta, gegründet 1878. Als Autor des ersten Handbuchs der zur Zootierhaltung (1892) gelangte er zu internationaler Bekanntheit. Heute gilt Sanyal als „Großvater der Tiergartenbiologie“ (S. Walker). Dieser Vortrag wird fragen wie ein „einfacher Untertan“ des britischen Imperiums zu einer wichtigen Referenz in der globalen Debatte über Zootierhaltung wurde. Wie konnte ein scheinbar „peripherer“ Zoo wie jener in Calcutta zum Ort einer umfassenden Wissensproduktion über die Ernährung, Haltung und tiermedizinischer Pflege von Zootieren werden? Um diese Fragen zu beantworten gilt es die entsprechenden historischen Kontexte und Netzwerke zu rekonstruieren, in denen Sanyal sich bewegte. Dazu gehören zum einen die gelehrte Welt British-Indiens, insbesondere der Bereich der Naturgeschichte, die Sanyal förderte, zum anderen das globale Netzwerk zoologischer Gärten, in dem er sich bewegte. Sanyal kombinierte gleich mehrere Rollen: Superintendent des Zoos, forschender Zoologe (etwa zu Schlangengiften), Agent im globalen Zoo-Tierhandel (tätig u.a. für den Melbourne Zoo) und „lokaler“ Wissenschaftspopularisator (auf Englisch und Bengali).
Im Zentrum des Vortrags wird die Entstehung und Rezeption seines Handbook of the Management of Animals in Captivity in Lower Bengal. Sanyal war selbstredend kein Tierrechtsaktivist oder Zookritiker, aber seine über Jahre währende minutiöse Beobachtung der ihm anvertrauten Lebewesen zeugt von einer ausgesprochen hohen Sensitivität für deren Bedürfnisse und Nöte. Es war genau diese Kombination aus Systematik und Empathie, die die Qualität und Originalität des Handbook ausmachte. Sanyal verkörpert damit auch die Widersprüche, die die Institution Zoo bis heute prägen.