Für die Tagung der GWMT 24 möchte ich gerne einige biographische Schlaglichter auf den frühen bayerischen Radfahraktivismus um 1900 werfen. Zugleich soll mein Vortrag ein kleiner Werkstattbericht zu meinem Dissertationsprojekt sein, Thema ist urbane Fahrradgeschichte und -wissen im Königreich Bayern.
Um die vielfältigen Tätigkeiten früher Mobilitätsaktivisten in Bayern zu verdeutlichen, habe ich vor, einige exemplarische Personen aus dem zeitgenössischen Fahrradmilieu und deren Strategien sowie Argumentationsmuster kurz vorzustellen. Hierzu will ich einerseits wichtige Gatekeeper wie Hermann Freiherr von Rothenhan, aber auch Privatpersonen wie das Ehepaar Edmund und Maria Kammel oder Experten wie Rupert Ritter von Paller beleuchten.
Rotenhan war der Vorsitzende des Verbandes zur Wahrung der Interessen der bayerischen Rad- und Motorfahrer, des einflussreichsten Lobbyverbandes zur Förderung von fahrradbezogenem, später auch motorisiertem Individualverkehr, vergleichbar heute etwa mit dem ADAC oder dem ADFC.
Die Eheleute Kammel, beide begeisterte Radfahrer, stießen eine Differenzierung und Ausgestaltung des Augsburger Verkehrsregime kurz vor 1900 an. Auslöser war hier aber zuerst eine Übertretung der dortigen Straßenordnung durch das Ehepaar und ein Konflikt mit der Polizei.
Der „Civilingenieur“ Paller arbeitete vor allem an statistischen Annäherungen an die damalige Radnutzung. Er verfasste u.a. 1908 ein Buch über die Geschichte und Leistungen der bayerischen Fahrradindustrie. Nicht zuletzt fokussierte er sich aber auf die Durchdringung und Erfassung des Straßenverkehrs, eine Art früher Verkehrsforschung.
Die von den frühen Radfahraktivisten, Funktionsträgern und Technokraten eruierten, kolportierten und propagierten Wissensbestände und Problemlösungen spielten eine maßgebliche Rolle bei der Ausdifferenzierung des modernen Mobilitätsraumes Straße.