Während der 1970er und Anfang der 1980er Jahre stellten die prekären äußeren und materialen Umstände des Heroinkonsums nur ein wenig beachtetes drogentherapeutisches und -politisches Interventionsfeld dar. In den Fokus gerieten diese erst, als AIDS Mitte der 1980er Jahre zum beherrschenden pandemischen Gefahrendispositiv wurde. Der deutliche Zusammenhang zwischen intravenösem Drogengebrauch und Infektionsrisiko mit HIV – etwa durch die Praxis des needle sharing – brachte dabei der bisher gesellschaftlich marginalisierten und kriminalisierten Gruppe der „Heroinjunkies“ und „Fixer“ nicht nur eine erhöhte gesundheitspolitische Aufmerksamkeit ein, sondern setzte bisherige psychiatriezentrierte Sucht- und Therapiekonzepte (Abstinenzparadigma) und deren Fürsprecher unter Druck. Denn angesichts des neuen Paradigmas der Aidsprävention und aufgrund des beharrlichen Aktivismus der Deutschen AIDS-Hilfe (DHS) sowie der Initiative „JES – Junkies, Ex-User, Substituierte“ avancierten Konzepte, wie Harm-Reduction, akzeptierende Drogenarbeit sowie Substitutionstherapien trotz nach wie vor geltender Strafandrohungen sukzessive zum alternativen Therapiestandard. Inwieweit diese Ansätze dabei einer psychiatriekritischen Haltung entsprangen, welchen Akteurskonstellationen und strategischen Allianzen hierbei Bedeutung zukam, und inwieweit dadurch die bisherige psychiatriezentrierte, prohibitive Drogenpolitik unter Druck geriet - diesen Fragen wird dieser Beitrag am Beispiel West-Berlins nachgehen.