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Cornelius Borck und Lisa Schmidt-Herzog

Erich Wulffs Weg über Vietnam zum Psychiatrie-Aktivismus

Vietnam war in der Studierendenbewegung feste Chiffre für den Krieg einer westlichen, kapitalistischen Demokratie gegen den ideologischen Gegner, der stellvertretend in Form eines kleinen, fernen Landes bekämpft werden sollte. Anders als die USA war die Bundesrepublik aber nicht direkt in die Kämpfe involviert und es gab kaum direkte Bezüge, als 1968 ein bei Suhrkamp erschienener „Erfahrungsbericht“ mit dem Titel Vietnamesische Lehrjahre für Furore sorgte. In diesem „Bildungsroman der Epoche“ (Wolfgang Fritz Haug) verarbeitete der spätere Psychiatrie-Reformer Erich Wulff damals noch unter Pseudonym die Eindrücke seines Aufenthalts in Südvietnam. Während er dort von 1961 bis 1967 dort in der medizinischen Versorgung und als Universitätsprofessor arbeitete, hatte Wulff u.a. Dokumente an die westliche Presse übermittelt, welche die amerikanischen Kriegsverbrechen bezeugten. Gleichzeitig wurde er sich der eurozentrischen Voraussetzungen vermeintlich selbstverständlicher psychiatrischer Gewissheiten gewahr und nahm diese Erkenntnis mit nach Deutschland. Als Mitbegründer der Sozialpsychiatrie arbeitete er gemeinsam mit internationalen Verbündeten wie Franco Basaglia gegen das Modell der Verwahranstalt, das im Namen der Fürsorge oftmals gewaltförmige Normalitätsvorstellungen gegen die Betroffenen durchgesetzt hatte. Dabei war Wulffs Kritik immer auch Selbstkritik und die `68er erinnerte er daran, dass Revolution nur gelingen könne, wenn sie permanente Veränderungen erarbeite.