Die Aktion der „Blauen Karawane“ startete 1985 im Zusammenhang mit der Auflösung der psychiatrischen Langzeiteinrichtung Blankenburg bei Bremen. Die Schließung einer solchen Anstalt für die BRD war ein Unikum, und auch die „Blaue Karawane“ war eine Besonderheit innerhalb des psychiatriekritischen Aktivismus jener Zeit.
Mit „Marco Cavallo“ (einem blauen Pferd aus Pappmaché, das 1973 in der Triester Anstalt San Giovanni im Kontext der italienischen Psychiatriereform geschaffen wurde) und einer Nachbildung der Bremer Stadtmusikanten zogen Mitarbeiter*innen, Patient*innen und Künstler*innen durch verschiedene Kliniken Westdeutschlands. Vor Ort und im Umfeld unterstrich die Gruppe mit Theater- und Kunstaktionen, Diskussionsrunden und Pressekonferenzen ihr Anliegen: die Auflösung der psychiatrischen Anstalten. Die „Karawane“ endete in Bremen mit einem internationalen Kongress, der den Titel „Gesellschaft ohne Irrenhaus“ trug.
Der Beitrag zeichnet anhand von zeitgenössischen Quellen das Zusammenwirken von Per-formance und Psychiatriekritik in den Aktionen der „Blauen Karawane“ nach, zeigt auf, wie diese in den öffentlichen Raum getragen wurden und untersucht, wie sich hier eine besondere Form des Aktivismus mit radikaler Psychiatriekritik verband. Es wird deutlich, dass die performativen Kritiken der „Blauen Karawane“ an der Psychiatrie zum Anknüpfungspunkt für unterschiedliche abolitionistische Forderungen und Auseinandersetzungen mit gesellschaftlicher Ausgrenzung wurden.